Yoga und die Ökologie von Körper und Geist

Yoga, ein Weg der inneren Verwandlung durch bewußte Wahrnehmung  

von Monika Dia-Schübel

Bereits 1921 gründete der russischstämmige Boris Sacharow die erste deutsche Yogaschule in Berlin, nachdem er als junger Mann den Wirren und der Dramatik der Oktoberrevolution von 1917 entflohen war. In Berlin studierte er Mathematik und Physik und begegnete dem berühmten indischen Weisheitslehrer Jiddu Krishnamurti und sein Leben entwickelte fortan einen anderen Sinn. Er veröffentlichte die ersten wissenschaftlichen Werke auf dem Gebiet des klassischen Hatha-Yoga und bildete die ersten Yogalehrer in Europa aus.

Der aus einer Arztfamilie stammende Inder Selvaraja Yesudian durchlief als Kind sehr schwere Krankheiten. Durch ein Buch aus der Bibliothek seines Vaters über Hatha-Yoga veränderte sich sein Körpergefühl und seine damit verbundenen  geistigen Einsichten grundlegend.  Auf dem Wege der Gesundung studierte er Medizin in Budapest und gründete dort seine erste Yogaschule im Jahre 1939. Er lernte dort seine wesentlich ältere Freundin und Lebenspartnerin die ungarische Künstlerin Elisabeth Haich kennen. Als Mystikerin und vertraut mit der hinduistischen Philosophie erkannten die beiden ihre innere Vertrautheit und flohen nach der gewaltsamen Übernahme des kommunistischen Regimes in die Schweiz und gründeten im Tessin eine berühmt werdende Yogaschule und waren maßgeblich beteiligt an der Verbreitung des Yoga in Europa. Wie Sacharow bildeten sie unzählige Yogalehrer aus, unter anderem meine eigene liebevolle Yogalehrerin Gerda Rahlff. Sie unterrichtete in eigener Yogaschule auf Fehmarn und verstarb 1987 im Kreise ihrer Yogaschüler.  Haich und Yesudian verfassten gemeinsam viele Bücher unter anderem ihr berühmtes Weisheitsbuch : „Die Einweihung“.

Yoga ist heute in aller Munde und wird von vielen Ärzten als Selbstheilungsmethode anerkannt und empfohlen, weil sie eine zunehmende Verbesserung des Wohlbefindens bei ihren Patienten erleben oder sich selbst auf den Weg begeben um diese Erfahrungen an sich zu erleben und zu erforschen.

Es ist ein Weg der Selbsthilfe und dem Willen zur Eigenverantwortung, indem wir erfahren wie ich mich bewege, wie ich atme, warum ich mich verspanne, mich unter Druck setze und mich gestresst fühle.  Mit zunehmender Aufmerksamkeit durch die körperöffnenden Techniken des Yoga erfahren wir ein Wohlgefühl, dass unsere Wahrnehmung vertieft und uns neugierig macht mehr über uns selber und die Lebenszusammenhänge zu erfahren. In welcher Lebenssituation befinde ich mich? Welche Gedanken und Bewertungen verhindern es , der zu sein, der ich bin? Welchen Einfluss hat dies auf meine Alltagshandlung, auf die Kommunikation mit meinen Mitmenschen? Wie beeinflusst meine Lebenshaltung Verspannungen in meinem Körper, meinen Stoffwechsel, mein Hormonsystem und in Wechselwirkung wieder mein Verhalten? Irgendwann stellt sich die Frage nach dem Sinn unseres Lebens, den viele von uns in der sich ständig rotierenden zeitrennenden Leistungs- und Informationsgesellschaft, des immer funktionieren Müssens für andere, verloren haben.

Yoga ist ein Weg zunehmender Erkenntnis über uns selbst im Verhältnis, der uns umgebenden Umwelt. Mit vertiefender Übung der Selbstbeobachtung, des Atmens, des Dehnen und Streckens, der Muskelanspannung erfahren wir Zustände von Schwere (Übersäuerung der Muskulatur) Wärme, Feuer (Verbrennung der Übersäuerung und der Gifte im Körper)  und den Ausgleich der beiden in Form  des sich Öffnens und Loslassens.

Der Schutzpanzer um uns herum, den wir unbewußt aufgebaut haben um negative Erfahrungen zu verdrängen, wird durchlässig und eine Form der Selbstregulation beginnt und eröffnet uns einen Weg zu spontanen Einsichten, indem wir mehr Vertrauen zu unserem inneren Selbst entwickeln.

Krankheit und Schmerz wird in unserer Gesellschaft immer noch als Schreckgespenst angesehen und wir blockieren uns immer mehr durch unsere Ängste.

Unser Körper ist dabei ein hochintelligentes System, dass bis in die kleinste Zelle unsere biografischen Erfahrungen durch Erziehung und Lebensumstände widerspiegelt.  Wenn wir unseren Körper  als Guru, als Wegweiser, annehmen können,  durch immer bewußt werdendere Erfahrung und Aufmerksamkeit durch die Techniken des Yoga, erfahren wir in sich selbst regulierende Gleichgewichtsprozesse  und  Gesundung im innen und außen.  Erkrankungen und Unbefindlichkeiten gewinnen dadurch eine andere Bedeutung.

Es gibt viele unterschiedliche Yogasysteme, weil es auch viele unterschiedliche Menschen gibt. So gibt auch jeder Yogalehrende seine eigene Erfahrung auf dem Weg weiter. Er/sie wird die Schüler immer nur so weit bringen können wie er selber auf dem Weg ist und bleibt Zeit seines Lebens immer ein Lernender auch in Wechselwirkung zu seinen Schülern, die vielleicht plötzlich über ihn hinauswachsen und völlig neue Erfahrungen mit sich machen. Insofern ist das Lehrer-Schüler-Verhältnis immer ein Geben und Nehmen. Yoga macht uns kreativ. So entstehen aus dem klassischen Hatha Yoga immer neue Formen. Keine davon ist falsch oder richtig. Wir müssen uns nur auf die Suche machen, den für uns richtigen Stil zu finden.

Ein bewegter sportlicher Mensch braucht vielleicht die Erfahrung mit dem dynamischen Asthanga-Yogasystem. Ein junger Mensch findet vielleicht Freude und Herausforderung an sehr akrobatischen Übungen. Sind wir sehr stressbelastet oder auch mit dem Älterwerden suchen wir eher die sanften fließenden Formen.

Yoga ist geeignet für jeden Menschen. Kinderyoga verbessert auf spielerische Art die Lernfähigkeit und sorgt für eine sensomotorische Integration des Nervensystems und fördert die Gehirnleistung. Neue Synapsen werden ausgebildet.

Yoga im Arbeitsleben verhilft uns zu kreativen Einsichten und Selbstkompetenz und einem entspannten, wertschätzenden Umgang mit Kollegen. Problemlösungen liegen plötzlich auf der Hand.

Yoga stärkt das Selbstvertrauen und Selbstbewußtsein bei Menschen mit handicap und läßt Dinge in uns entdecken, die wir vielleicht gar nicht für möglich hielten. Es stärkt die Selbstakzeptanz und den Wert in unserer Gesellschaft.

Yoga ist ein Weg ohne Ziel. Das Ziel ist der Weg selber, ein Weiterschreiten ohne Ende und erfordert Gründlichkeit, Regelmäßigkeit und Geduld. Yogaübungen dürfen nicht schwer sein, schwer ist es immer ein Übender, ein Forschender  zu werden.

Mit der Übung und Erfahrung des Yoga entstehen für uns Einsichten und neue Aussichten für ein lebendiges und erfüllendes Leben.

Quellen: